Clemens Maria Heymkind

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Cover zu Clemens Maria Heymkind: Der Bhikku

Leseprobe

Der kleine hässliche Mann sah den heiligen Bhikku an und fragte: »Heiliger Bhikku, wie aber kann der Mensch loslassen?« Da verneigte sich der heilige Bhikku vor dem kleinen hässlichen Mann und schloss für einen kurzen Augenblick die Augen. Kurz darauf erhob er seine Stimme und sprach zur Menge:

»Festhalten erzeugt Spannung, Loslassen ermöglicht Entspannung. Wenn eure Arme weit geöffnet, die Hände aber zu Fäusten geballt sind, könnt ihr weder geben noch empfangen, könnt ihr nicht loslassen! Geballte Fäuste aber erzeugt das Ego, dessen Handlungen zur Trennung von der Wirklichkeit führen. Um geben oder empfangen zu können, um loslassen zu können, müssen eure Handflächen in alle Himmelsrichtungen geöffnet sein. Im Akt des bewussten Sich-Öffnens gibt es kein Oben oder Unten, gibt es kein Rechts oder Links, gibt es kein Vorwärts oder Rückwärts mehr, denn ihr seid eins geworden mit eurer wahren Natur. Der anhaftende Geist jedoch, der den Täuschungen des Ego unterliegt, will ständig dies, will ständig jenes tun, will hierhin, will dorthin! Und so bewegt ihr euch stets an den Grenzen des Seins, nie aber in dessen Mitte. Wollt ihr den Samen des Erwachens säen, dann bringt euren Geist in die Mitte, dorthin also, wo seine wahre Heimat ist. Der anhaftende Geist ist unwissend, er weiß nicht, wo seine wahre Heimat ist! Da gibt es noch so viel Lärm, Unruhe und Verblendung in ihm, dass er eher einem Blinden gleicht, der ständig Gefahr läuft, sich zu verirren.

Der Weg zur wahren Heimat führt über das bewusste Atmen. Entspannt euren Geist, indem ihr bewusst und ohne Hast einatmet und ausatmet. Sich bewusst atmend auf den gegenwärtigen Moment einzulassen bedeutet, auch entspannt zu handeln. Gleichgültig, ob ihr sprecht, esst, geht oder sonst wie handelt – tut dies bewusst und in tiefster Entspannung. Lasst bei alledem den Atem achtsam in den Körper einströmen und ausströmen und werdet euch der vielen Wunder des gegenwärtigen Moments bewusst! Während ihr auf diese Weise atmet, werdet euch auch dessen bewusst, dass ihr nirgendwo mehr hinmüsst, dass nichts mehr zu tun ist. Vergangenes ist lediglich Erinnerung, Zukünftiges ist Illusion. Deshalb lasst die Vergangenheit los, lasst die Zukunft los! Beides sind nur flüchtige Schatten, die im Fluss eurer Gedanken kommen und gehen. Sobald euer Geist all das losgelassen hat, werden sich die Spannungen in eurem Körper und damit auch die des Geistes auflösen. Im Zustand tiefster Entspannung schließlich wird euer Geist zu der wahren Erkenntnis fähig sein, die aus der Quelle des einen unbewegten Geistes kommt, der den ganzen Kosmos durchdringt, die gespeist wird von diesem und die ohne Worte auskommt.«

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